Übernahme einer Traditionsbuchhandlung statt Neugründung

Mitten in der Pandemie übernahm Lisa Schumacher zum 1. April 2020 die Steinmetz’sche Buchhandlung in Offenbach. Statt der Gründung einer neuen Buchhandlung in Frankfurt, fand sie die Anzeige in der Buchhandlungsbörse des Börsenvereins. Der Landesverband Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland hat sich mit ihr dazu ausgetauscht.

Die Steinmetz’sche Buchhandlung hat eine lange und bewegende Geschichte – fühlt man sich so viel Tradition gegenüber auch besonders verpflichtet?

Definitiv ja! Die Steinmetz’sche Buchhandlung ist die älteste Buchhandlung der Stadt und die zweitälteste in Hessen. Die Chance, ein solches Traditionsgeschäft zu übernehmen, ist schon etwas ganz Besonderes – und geht mit großer Verantwortung einher. Die Steinmetz’sche ist seit 1835 erfolgreich: Irgendwas schienen meine Vorgänger*innen richtig gemacht zu haben und ich hoffe, dass ich mich in diesen Erfolg einreihen kann. Dabei ist mir vor allem wichtig, Tradition mit Neuem zu verbinden und auch Veränderungen zuzulassen; eine Buchhandlung muss mit der Zeit gehen.

Welche Gründe haben Sie dazu bewogen eine Buchhandlung zu übernehmen und wieso ist es genau diese geworden?

Tatsächlich wollte ich mich schon lange mit einer Buchhandlung selbstständig machen. Im Sommer 2019 habe ich dann konkret mit einer Gründungsberatung begonnen, wobei die Beratung anfangs noch darauf hinauslief, eine Kinderbuchhandlung in Frankfurt zu gründen. Als ich dann aber die Anzeige „Traditionsbuchhandlung in Offenbach zu verkaufen“ auf der Seite des Börsenvereins entdeckt habe, hat mein Herz einen Glückshüpfer gemacht. Ich habe schnellstens Kontakt mit der Inhaberin Frau Fischer aufgenommen und dann nahm alles eine ganz andere Wendung als zunächst von mir geplant. Die Steinmetz’sche Buchhandlung war nach meinem Umzug nach Offenbach im Jahr 2018 bereits meine Stammbuchhandlung. Ich hatte also bereits ein ganz gutes Gefühl für den Laden.

Wie verliefen die Planung und die Übergabe? Was hat die Pandemie daran geändert?

Ich habe viele, viele Gespräche mit Frau Fischer geführt und meine Gründungsberatung letztendlich von Neugründung zu Übernahme umgeschwenkt. Ich war also im ständigen Austausch mit meiner Vorgängerin und meinem Berater – eine optimale und sehr fruchtbare Verbindung, die ich jedem auch so empfehlen würde. Ich habe mich etwa ein halbes Jahr mit der Planung beschäftigt, bevor ich im Februar 2020 den Kaufvertrag unterschrieben habe. Es gab eine lange Vorbereitungszeit und Einarbeitung bis ich dann am 1. April 2020 übernommen habe – übrigens im Lockdown. Das war ein Schock und ein Sprung in wirklich eiskaltes Wasser. Die Pandemie hat natürlich viele Abläufe verändert, aber vor allem bedaure ich bis heute, dass Frau Fischer und ich keine wirkliche offizielle Verabschiedung bzw. Begrüßung begehen konnten.

Ein Jahr ist um – wie zufrieden sind Sie mit der Entwicklung, Corona hin oder her?

Ich bin wirklich sehr zufrieden und bereue meine Entscheidung keine Sekunde! Auch wenn die Pandemie mir den ein oder anderen Strich durch die Rechnung gemacht hat und mich Haare raufen lässt, überwiegt doch mein Glücksgefühl, wenn ich heute in meinem Laden stehe. Und mein Team hat Großartiges geleistet. Meine Kolleginnen mussten ja nicht nur meine Vorgängerin verabschieden und sich an eine neue Chefin gewöhnen, sondern auch noch einen geschlossenen Laden wuppen und mich einarbeiten. Die Offenbacher (Stamm-)Kundschaft hat mich sehr herzlich aufgenommen und die Buchhandlung treu unterstützt. Vor allem aber freut mich, dass mehr Familien und Kinder zu uns kommen. Durch den Ausbau und die Vergrößerung der Kinderbuchecke können wir eine neue Zielgruppe für uns begeistern.

Der Lesegarten im Hof zum Lesen und Verweilen ist ja wirklich eine Besonderheit; wie wird er von Ihnen und der Kundschaft genutzt?

Der Lesegarten ist wirklich ein Kleinod in der Innenstadt. Für Gesprächstermine bei gutem Wetter ist er für uns vor allem in Pandemiezeiten sehr angenehm. Eine Mittagspause draußen ist auch nicht zu verachten und sich im Sommer ein Eis um die Ecke holen und im Lesegarten genießen: auch nicht schlecht! Unsere Kundschaft nutzt ihn auch sehr gern: Einige schnappen sich Bücher und setzen sich eine Zeit lang zum Stöbern raus. Im Sommer, wenn alles blüht, haben wir hier eine kleine Oase, die zum Entspannen einlädt.

Sie sind ja, wie Viele in der Buchbranche, Quereinsteigerin: Was haben Sie vorher gemacht und wie haben Sie sich das Buchhändler*innen-Know-how angeeignet?

Ich war viele Jahre im Literaturhaus Frankfurt angestellt und habe dort vor allem in der Bildung und Vermittlung mit Lehrkräften und Schulen gearbeitet. Ich komme also eher aus der Veranstaltungsbranche. Das Know-how habe ich mir durch sehr, sehr viele Fragen (wirklich keine Frage war mir zu blöd oder zu einfach) und durch aktives Tun angeeignet. Bei den Themen Buchhaltung und Zahlen hat mir vor allem Frau Fischer geholfen und bei allem, was mit dem buchhändlerischen Alltag zu tun hat, war und ist immer noch in erster Linie mein Team meine erste Anlaufstelle. Das sind ja die Expertinnen hier im Laden!