Unser Buch des Monats Juli: Domenico Müllensiefen - »Aus unseren Feuern«
Voll lit – wir küren wieder unser Buch des Monats!
Erstellt am 14.07.2022
Rezension von Tobias Groß
Die Wende war zweifellos ein Epochenereignis. Für alle. Doch ganz besonders für diejenigen, welche in den Jahren 1989 und 1990 Kinder waren und sowohl in der DDR, die meiste Zeit jedoch in der BRD aufwuchsen, war es besonders hart. Welche Folgen diese gebrochene Sozialisation bis heute hat, das erfahren wir literarisch in Domenico Müllensiefens eindrucksvoller Leipzig-Geschichte.
Im Mittelpunkt von »Aus unseren Feuern« steht Heiko “Heike” Persberg, einem in prekären Verhältnissen geborenen Leipziger, dessen Zuhause die Plattenbaugebiete der Stadt sind. Heiko ist Jahrgang 1985, erlebte die Wende als Kind und die Jahre darauf als Jugendlicher. Zusammen mit seinen Freunden Karsten und Thomas gehört er zu den großen Verlierern, denn die Perspektivlosigkeit der Eltern hat sich auf ihn übertragen. Egal was er tut, egal welchen Beruf er ausübt, er schafft es nicht dem Teufelskreis seiner Herkunft zu entkommen. Mehr noch: die Gesellschaft lässt ihn immer wieder spüren, dass er “Ossi” ist – und damit für viele ein Mensch zweiter Klasse. Selbst noch im Jahr 2014.
Domenico Müllensiefen ist mit »Aus unseren Feuern« ein starker und authentischer Roman über eine ostdeutsche Jugend und das Aufwachsen im Leipzig der 2000er-Jahre gelungen, der keine melancholische Sehnsucht nach dem Früher erzeugt. Seine Charaktere sind keine Held:innen, sie sind einfache Menschen, die ihren Platz in der Gesellschaft nicht gefunden haben und täglich kämpfen. Heikos über knapp 15 Jahre Geschichte ist ein schonungsloses, ungekünsteltes und ehrliches Debüt, welches die Leser:innen von der ersten Seite fesselt und nicht mehr loslassen wird. Auch über das Ende des Buches hinaus.
Domenico Müllensiefen: »Aus unseren Feuern«, Roman, Kanon Verlag, Februar 2022, 336 Seiten, 24,-€