Unser Buch des Monats September: Moritz Rinke »Der längste Tag im Leben des Pedro Fernández García«
Voll lit – wir küren unser Buch des Monats September! Ein Postbote auf der Insel Lanzarote im Kampf um seinen Sohn: Moritz Rinke hat mit »Der längste Tag im Leben des Pedro Fernández García« einen großartigen Roman geschrieben. Skurril und herzzerreißend.
Erstellt am 16.09.2021
Rezension von Tobias Groß
Die Zeit scheint zu rasen, Stillstand gibt es nicht mehr. Ständig erblicken neue Dinge die Welt, die diese einerseits einfacher machen, andererseits jedoch eine Gefahr für alles Bestehende sind. Ein gutes Beispiel dafür ist unsere schriftliche Kommunikation, die mehrheitlich online stattfindet. Briefe sind dementsprechend fast obsolet geworden, was eine reelle Gefahr für den Fortbestand des Berufs des:der klassischen Briefträger:in darstellt. Diese schmerzhafte Erfahrung muss der Protagonist in »Der längste Tag im Leben des Pedro Fernández García« machen.
Der titelgebende Held in Moritz Rinkes Roman ist Postbote auf der kanarischen Insel Lanzarote. Er kämpft mit dem Bedeutungsverlust seines Berufes, was sich stark auf sein Privatleben auswirkt und zur Folge hat, dass seine Lebensgefährtin ihn verlässt - und mit dem gemeinsamen Sohn Miguel nach Barcelona flüchtet, um in den Armen eines reichen Hoteliers ein neues Leben zu beginnen. Pedro Fernández García stürzt dieses Ereignis in eine tiefe Lebenskrise, aus der er versucht zu entkommen. Mit Hilfe eines alten Freundes kämpft er um seinen Sohn Miguel, er will ihn zu sich nach Lanzarote zurückholen - mit allen Mitteln. Egal, wie seltsam und grotesk sie auch sein mögen.
Moritz Rinke ist mit »Der längste Tag im Leben des Pedro Fernández García« ein großartiger und ziemlich skurriler Roman gelungen, welcher hochpolitisch und sehr aktuell ist. Denn die toll erzählte Geschichte um den Briefträger Pedro Fernández García thematisiert all die Probleme, die das Land Spanien im 21. Jahrhundert ergriffen haben: Rassismus, Identitätskonflikte, Korruption und die nicht aufgearbeitete franquistische Vergangenheit. So gibt der Roman tiefe Einblicke in die spanische Kultur (falls es diese überhaupt gibt) und liefert ein komplexes Bild der Gesellschaft. Mitunter ist die Story zwar sehr abstrus, die sympathischen Charaktere und der herzzerreißende Kampf eines Postboten um seinen Sohn machen die leichte Hyperaktivität der tragikomischen Geschichte jedoch mehr als wett. »Der längste Tag im Leben des Pedro Fernández García« ist ein sehr lesenswertes Buch für alle, welche das Land Spanien und seine Kultur lieben. Und auch deren sehr große Widersprüche.
Moritz Rinke »Der längste Tag im Leben des Pedro Fernández García«, Roman, KiWi, August 2021, 448 Seiten, 24,- €