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Unser Buch des Monats September: Nele Pollatschek - »Kleine Probleme«

Voll lit – wir küren unser Buch des Monats September!
Erstellt am 25.09.2023


Rezension von Tobias Groß

Der Mann als Oberhaupt, als Hauptverdiener der Familie, als Dreh- und Angelpunkt des Geschehens. Was lange Zeit der gesellschaftliche Normalzustand war, wird zunehmend in Frage gestellt. Das Patriarchat erhält Gegenwind und sieht seinem Ende ins Auge. Auch im Kleinen erweist sich die Vormachtstellung des Mannes oftmals als Luftnummer, denn wenn er auf sich alleine gestellt ist, dann scheitert er an den kleinsten Dingen. An den kleinsten Problemen, wie uns dieses schmale, jedoch ironisch-entlarvende Büchlein zeigt.

Denn der Protagonist in Nele Pollatscheks gleichnamigen Roman hat weitaus mehr als nur kleine Probleme. Am letzten Tag des Jahres, ausgerechnet ein umgedrehter Freitag der 13., muss der Schriftsteller Lars noch so viele Dinge erledigen, wie andere in ein paar Wochen: das Bett der Tochter aufbauen, die Regenrinne sauber machen, das Haus auf Vordermann bringen. Und und und. Schließlich kommt seine Frau just an diesem Tag von ihrem halbjährlichen Sabatical aus Lissabon zurück. Doch im Grunde ist Lars alleine lebensunfähig. Nicht nur, dass er für die einfachsten Dinge Ewigkeiten braucht, er verliert sich beim Abarbeiten seiner To do-Liste in absurden Gedankenspielen, die zwischen Verzweiflung, den großen Problemen unserer Zeit und gnadenloser Selbstüberschätzung variieren. Ein Endvierziger an den Grenzen seiner selbst, am Rande des Nervenzusammenbruchs.

Mit »Kleine Probleme« hat Nele Pollatschek einen Roman geschaffen, der ziemlich gut den weiterhin existierenden Zustand vieler Männer beschreibt: hohen Erwartungen ausgesetzt, zum Erfolg verdammt und doch in ziemlich vielen Bereichen alleine lebensunfähig. Dabei sich nicht die eigenen Schwächen eingestehend und immer Stärke zeigend. Doch mit viel Witz, Ironie und einer gehörigen Portion Gnadenlosigkeit zeigt die Autorin, dass diese Männlichkeit zum Scheitern verurteilt ist und der Vergangenheit angehört. Dabei ist der Protagonist Lars so mitleidserregend, dass die Leser:innen fast so etwas wie Sympathie für ihn empfinden könnten. Aber nur fast. Zwar ist »Kleine Probleme« sprachlich etwas gewöhnungsbedürftig, die originelle Handlung und die Entlarvung des Patriarchats machen diesen Roman zu einem großartigen Leseerlebnis. Chapeau!

Nele Pollatschek: »Kleine Probleme«, Roman

Galiani Berlin, September 2023, 208 Seiten, 23,00 €, 978-3-86971-240-6


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