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Der Buchmarkt in Deutschland 2022/23: Buchbranche engagiert und selbstbewusst angesichts herausfordernder Welt- und Wirtschaftslage

Kaufzurückhaltung auch auf dem Buchmarkt, Umsatzrückgang 2022 um 1,9 Prozent / Nach der Pandemie: Umsatz in Buchhandlungen vor Ort steigt wieder; Online-Umsatz geht im Vorjahresvergleich zurück, gewinnt aber gegenüber der Vor-Corona-Zeit
Erstellt am 05.07.2023


Auf die Corona-Pandemie folgten Beschaffungsengpässe, Energiekrise und Konsumtief: In Zeiten der Polykrise geht die Buchbranche engagiert die Herausforderungen an und schlägt eine Brücke zwischen digital und analog. Mit Blick auf den Gesamtumsatz der Branche sind auch auf dem Buchmarkt die Auswirkungen der allgemeinen Kaufzurückhaltung spürbar: Der Branchenumsatz ging 2022 im Vergleich zum Vorjahr um 1,9 Prozent zurück. Die Halbjahresbilanz 2023 fällt zweischneidig aus. Zwar liegt der Umsatz über alle Vertriebswege hinweg 4,1 Prozent über dem der ersten sechs Monate 2022 – im Vergleich zur Vor-Pandemie-Zeit werden aber weniger Bücher verkauft und im Buchhandel vor Ort besteht noch eine deutliche Umsatzlücke. Diese und weitere Wirtschaftszahlen stellte der Börsenverein des Deutschen Buchhandels heute vor.

Karin Schmidt-Friderichs, Vorsteherin des Börsenvereins: „Wir leben in herausfordernden Zeiten – gesellschaftlich wie wirtschaftlich. Auch die Buchbranche bekommt die Auswirkungen der globalen Krisen zu spüren, behauptet sich aber engagiert. Schließlich bieten in komplexen Zeiten gerade Bücher Orientierung, verlässliche Informationen und inspirierende Geschichten. Die Pandemie, in der sich Verlage, Buchhandlungen und Buchlogistiker als verlässliche Lieferanten von Büchern erwiesen haben, hat sich auf Kaufverhalten und Marktstrukturen ausgewirkt. In vielen Bereichen normalisieren sich die Entwicklungen nun wieder, aber einige Veränderungen sind dauerhaft: der Digitalisierungsschub, der sich insbesondere bei den Online-Shops der Buchhandlungen zeigt, der Boom bei digitalen Hörbuchformaten und die enge Bindung zu den Kund*innen, die Buchhandlungen vor Ort während der Pandemie aufgebaut haben.“ 

Die immer neuen, sich ablösenden Krisen belasten die Branche allerdings weiterhin. Peter Kraus vom Cleff, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins: „Das vergangene Jahr war von Beschaffungsengpässen, immens steigenden Herstellungs- und Energiekosten und der hohen Inflation geprägt. Die Pandemie hat zudem den Prozess der Verödung der Innenstädte beschleunigt. Die Lage erholt sich nur langsam oder kaum. Viele Branchenunternehmen arbeiten wirtschaftlich am Limit. Gerade kleine Verlage, deren Titel während der Pandemie gegenüber bekannten Autor*innen und Bestsellern das Nachsehen hatten, verzeichnen große Einbußen bei weiterhin hohen Kosten. Es ist deshalb entscheidend, dass die Politik nun zügig die Förderung für Verlage, die sie im Koalitionsvertrag zugesagt hat, umsetzt. Zudem benötigen wir tragfähige Konzepte und Initiativen zur Belebung der Frequenz in Städten und Gemeinden.“

Chance junge Zielgruppen – Herausforderung Leseförderung

Junge Menschen sind sehr kauffreudig und am Buch interessiert – dies belegen die heute vorgestellten Zahlen ebenfalls. Karin Schmidt-Friderichs: „Es stimmt uns optimistisch, dass junge Menschen engagierte Buchkäufer*innen sind und sich intensiv mit Buchthemen auseinandersetzen, zum Beispiel auf TikTok. Die Branche ist aktiv dabei, diese Zielgruppe anzusprechen, indem sie eine Verbindung zwischen digitalen Formaten und dem Handel vor Ort schafft. Buchhandlungen präsentieren etwa die Titel und Autor*innen, die auf BookTok trenden, mit Büchertischen und Aktionen in den Buchhandlungen. Viele Buchhandlungen und Verlage sind auch selbst auf TikTok aktiv. Auch der KulturPass für 18-Jährige, den Kulturstaatsministerin Claudia Roth auf den Weg gebracht hat, bietet große Chancen, um junge Menschen für Bücher und Kultur zu begeistern. Viele hundert Buchhandlungen sind bereits registriert und nehmen Bestellungen von KulturPass-Inhaber*innen an.“

Die Kehrseite der Medaille: Während diejenigen jungen Menschen, die Bücher kaufen, ihren Konsum intensivieren, nimmt die Zahl der Buchkäufer*innen insgesamt weiter ab, auch bei der jungen Zielgruppe. Peter Kraus vom Cleff: „Beim Buchkauf lässt sich ein Prozess ablesen, den wir auch im Bereich Lesekompetenz deutlich sehen. Die aktuelle IGLU-Studie hat auf erschütternde Weise belegt, dass sich die Lesefähigkeit weiter verschlechtert. Jedes vierte Kind, das die Grundschule verlässt, kann nicht sinnentnehmend lesen. Das schlägt sich später auch bei der Medienkompetenz nieder: Diejenigen, die in einem bildungsstarken Umfeld aufwachsen, werden zu Intensiv-Leser*innen; die anderen verfügen über große Lesedefizite und greifen somit auch seltener oder gar nicht zu Büchern – und die Schere geht immer weiter auf. Das können wir nicht hinnehmen: Lesekompetenz muss systematischer und länderübergreifend gefördert werden, Bildung und Leseförderung gehören an erste Stelle in Deutschland! Daher arbeiten wir zusammen mit der Stiftung Lesen, dem Bundesbildungsministerium und weiteren Partnern an einem Nationalen Leseplan.“

Die Zahlen 2022 im Überblick 

Die Branche erwirtschaftete 2022 einen Gesamtumsatz von 9,44 Milliarden Euro (2021: 9,63 Milliarden Euro). Der stationäre Buchhandel, nach wie vor größter Vertriebsweg für Bücher, gewann nach den Einbußen durch die monatelangen Ladenschließungen in der Corona-Zeit 2022 wieder Umsätze zurück: Der Umsatz vor Ort stieg im Vergleich zu 2021 um 5,0 Prozent auf 3,95 Milliarden Euro; damit hat das Geschäft vor Ort einen Anteil von 41,9 Prozent am gesamten Branchenumsatz (2021: 39,1 Prozent). Gegenüber dem Vor-Corona-Jahr 2019 liegt der stationäre Handel jedoch noch 7,9 Prozent im Rückstand. Beim Internetbuchhandel ist die Entwicklung gegenläufig: Nach großen Zuwächsen in der Pandemie nahm der Umsatz des Onlinehandels, bei dem etwa die Hälfte auf die Shops der stationären Buchhandlungen entfällt, wieder ab. Die Umsätze gingen 2022 um 12,6 Prozent von 2,61 auf 2,28 Milliarden Euro zurück. Der Umsatzanteil des Internetbuchhandels am Gesamtmarkt lag 2022 bei 24,1 Prozent (2021: 27,1 Prozent). Der digitale Anschub durch Corona wirkt aber nach: Im Vergleich zu 2019, dem Jahr vor Ausbruch der Pandemie, erzielte dieser Vertriebsweg 2022 immer noch 22,8 Prozent mehr Umsatz.

Der Umsatzrückgang 2022 schlägt sich in fast allen Warengruppen nieder. Es gibt drei Ausnahmen: Die mit 34,0 Prozent Umsatzanteil größte Warengruppe, die Belletristik, verzeichnet im Vergleich zum Vorjahr einen Umsatzzuwachs von 4,4 Prozent. Bücher aus dem Bereich „Schule und Lernen“ setzten 2,5 Prozent mehr um als 2021, und Reiseliteratur, die in der Pandemie am meisten gelitten hat, legte um 16,5 Prozent zu. 

Der Umsatz mit E-Books wuchs 2022 nach einem vorübergehenden Anstieg während der Pandemie nicht weiter und stagnierte mit minus 0,2 Prozent. Damit entfielen im vergangenen Jahr 6,0 Prozent der Umsätze auf dem Publikumsmarkt (ohne Schul- und Fachbücher) auf E-Books. 3,0 Millionen Menschen kauften E-Books, das sind rund 400.000 weniger als 2021. Demgegenüber ist das Hörbuch weiter auf Wachstumskurs. Der Hörbuch-Umsatz ist im Vergleich zum Vor-Pandemie-Jahr 2019 um 35,2 Prozent gestiegen, zuletzt von 2021 auf 2022 um 6,6 Prozent. Wachstumstreiber sind die digitalen Absatzwege: Mit Downloads wurden 2022 im Vergleich zu 2019 61,1 Prozent mehr Umsatz erwirtschaftet, via Streaming sogar 154,9 Prozent. Audiobooks auf CDs werden hingegen immer weniger gekauft: Ihr Umsatz nahm im Vor-Pandemie-Vergleich um 53,8 Prozent ab. Damit dominieren die digitalen Kanäle inzwischen das Hörbuchgeschäft deutlich: Downloads waren 2022 für 49,3 Prozent des Hörbuch-Umsatzes verantwortlich, Streaming für 37,5 Prozent, CDs für 13,3 Prozent.

Die Zahl der Buchkäufer*innen ging 2022 weiter zurück: Rund 25,8 Millionen Menschen erwarben Bücher, das sind rund 1,4 Millionen weniger als im Vorjahr. Auch bei der jungen Zielgruppe, den 16- bis 29-Jährigen, ist die Zahl der Käufer*innen rückläufig – allerdings steigen hier die Ausgaben für Bücher sowie die Kaufintensität kontinuierlich. Pro Käufer*in erwarben die 16- bis 29-Jährigen 2022 durchschnittlich 11,7 Bücher, das sind rund 24 Prozent mehr als 2017. Die Ausgaben der 16- bis 29-Jährigen stiegen zwischen 2017 und 2022 um rund 8 Prozent. Woher holen sich junge Menschen Anregungen für den Buchkauf? Social Media hat eine wachsende Bedeutung als Impulsgeber: Bei den 16- bis 19-Jährigen ist mehr als jeder vierte für Bücher ausgegebenen Euro von Social Media inspiriert (rund 28 Prozent der Ausgaben). Auch bei den 20- bis 29-Jährigen ist der Einfluss noch groß. 

Die Zahl der Erstauflagen der Verlage blieb 2022 weitgehend stabil, nachdem sie aufgrund der unsicheren Perspektiven während der Pandemie zurückgegangen war. Sie nahm von 2021 auf 2022 leicht von 63.992 auf 64.278 zu. Die Anzahl der Übersetzungen an den Erstauflagen nahm nach zwei Jahren mit abgeschwächter Tendenz wieder zu: Im Jahr 2022 erschienen insgesamt 9.403 Titel aus anderen Sprachen (2021: 8.703) neu auf dem deutschen Buchmarkt. Der Anteil übersetzter Titel an allen Neuerscheinungen betrug 2022 14,6 Prozent (2021: 13,6 Prozent). 

Der Lizenzverkauf knickte 2022 deutlich ein: Deutsche Verlage verkauften mit 6.655 Lizenzen 14,4 Prozent weniger Buchrechte ins Ausland als 2021. Darin spiegeln sich sehr deutlich die wirtschaftlichen Konsequenzen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine wider. 2021 kamen noch 676 Lizenzabschlüsse deutscher Verlage mit Russland zustande, 2022 waren es noch 236. Damit rutscht Russland, bislang großer Abnehmer – gerade von Kinder- und Jugendbuchtiteln – von Platz 2 der Lizenznehmer auf Rang 10 ab. In Folge der Null-Covid-Strategie Chinas war auch das Lizenzgeschäft mit diesem Land 2022 noch großen Einschränkungen unterworfen. Die Zahl der Lizenzabschlüsse mit China ging von 1.318 in 2021 auf 825 in 2022 zurück. Damit bleibt China aber immer noch auf Platz 1 der wichtigsten Lizenznehmer, gefolgt von Italien und Tschechien.

Halbjahresbilanz 2023: Nach den ersten sechs Monaten verzeichnet der Buchmarkt in den zentralen Vertriebswegen ein Umsatzplus von 4,1 Prozent gegenüber demselben Zeitraum 2022. Gegenüber 2019 ist das Wachstum geringer und beträgt nur 1,0 Prozent. Deutlich rückläufig im Mehrjahresvergleich ist hingegen der Absatz mit minus 7,9 Prozent. Die von den Käufer*innen bezahlten Preise stiegen aber seit 2019 um 9,7 Prozent. Noch stärker im Rückstand gegenüber dem Vor-Pandemie-Niveau ist der Buchhandel vor Ort: Hier ging der Absatz in den ersten sechs Monaten 2023 um 14,0 Prozent zurück. Der Umsatz lag 5,2 Prozent unter dem desselben Zeitraums 2019.  

Quellen und weitere Informationen

Die Zahlen zu den Anteilen und Umsatzveränderungen der Warengruppen 2022 sowie zur Absatz-, Preis- und Umsatzentwicklung 2023 stammen aus dem Handelspanel von Media Control. Die Hörbuchentwicklung basiert auf dem Hörbuch-Monitor von Media Control in Zusammenarbeit mit der Interessengruppe Hörbuch des Börsenvereins. Die Käufer*innenzahlen (gesamter Publikumsmarkt und junge Zielgruppe sowie E-Books und digitale Hörbücher) sowie die Daten zur Marktentwicklung der E-Books stammen aus dem GfK Consumer Panel Media*Scope Buch. Alle anderen Zahlen beruhen auf Erhebungen und Berechnungen des Börsenvereins.

Zahlen und Daten des Buchmarkts 2022 werden zusammengefasst in der Publikation „Buch und Buchhandel in Zahlen 2023“, die vom Börsenverein herausgegeben wird und im August im Verlag des Technologie- und Informationsanbieters MVB erscheint.

Service

Alle aktuellen Zahlen zum deutschen Buchmarkt sind unter www.boersenverein.de/buchmarkt abrufbar.
 

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